This performance will be in German language.

Antikapitalistische Komödie nach dem Theaterstück von Roman Sikora

Jako lvi aneb Sestup a vzestup pana B.
Lachende Bestien, Prag
1h 40min o. P., in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Regie: Michal Hába

Im Stück stellt Herr B. fest, dass er tot ist. Im Jenseits angekommen, rekapituliert er seine Lebensgeschichte. Er war ein erfolgreicher Banker und zog für seine Bank viele vorteilhafte Kredite an Land. Vor seinen Kunden konnte er das Kleingedruckte in den Verträgen immer wieder geschickt verstecken, seine Methoden waren raffiniert und ausgeklügelt – mit Vergnügen erinnert er sich, wie er z.B. den alten Omas ihre Brillen versteckte. Eines Tages hat ihn aber sein Knie verraten – er erleidet einen Kniebruch und landet im Krankenhaus. Hier beginnt die Geschichte seines Abstiegs. Denn – das zeigt Sikoras Stück sehr klar – wer nicht zum Kapitalwachstum beiträgt, wird aufs Abstellgleis gestellt. Herr B. verliert seine Arbeit, in der Bank wird er sofort ersetzt. Der gängigen medizinischen Versorgung ausgeliefert, wird Herr B. nur unzureichend behandelt und sein Zustand verschlechtert sich immer weiter. Sein Schuldenberg wächst und nach und nach wird sein gesamter Besitz verpfändet. Auf seine Familie kann er nicht zählen – er hat allen "vorteilhafte" Wertpapiere angedreht, die sich als Blasen entpuppten, und somit alle gegen sich aufgebracht. Bald hat er alles verloren und steht mittellos auf der Straße.

Aber Herr B. gibt nicht auf. Als guter Zögling des neoliberalen Self-Made-Man-Mythos macht er weiter. Er ist zwar obdachlos, aber auch auf der Straße beharrt er darauf, dass die Gesetze des Kapitalismus und des freien Markts funktionieren. Er entwickelt ausgetüftelte Methoden des Bettelns und baut eine Universität für Obdachlose auf. Er bietet Teambuilding und Coaching für andere Obdachlose an und erklärt in seinen Vorlesungen in bester neoliberaler Manier, dass jeder ganz allein für sein Glück verantwortlich sei.

Sein wunder Punkt – sein Knie – meldet sich jedoch wieder und er liegt drei Tage lang im Sterben, mitten in der touristischsten Fußgängerzone in Prag. Seine eigenen Mitstreiter konfrontieren ihn mit den Methoden, die er sie gelehrt hat – der Obdachlose Pavel stellt sofort eine Tafel mit der Aufschrift "Mein Freund liegt im Sterben. Helfen Sie ihm!" auf und kassiert das Geld der vorbeilaufenden Touristen. Bei Sikora wird das hyänenhafte Verhalten einer Gesellschaft, die ganz allein durch die "unsichtbare Hand des Marktes" gelenkt wird, bis in die tiefsten und sozial schwächsten Schichten fortgesetzt.

An der Figur des Herrn B. zeigt Sikora eindringlich, wie Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, mit vielerlei Diskriminierungen konfrontiert werden, diese Diskriminierungen aber auch weiter reproduzieren.

(Barbora Schnelle: zitiert aus dem eigenen Vorwort zur Anthologie mit Sikoras Stücken "Frühstück mit Leviathan", Berlin: Neofelis 2021)